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„Weil ich es so sage“

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Martins/Carvalho: Hier kommt keiner durch!

In diesen Tagen feiern wir in Österreich die Ausrufung der Republik im November 1918. Am 11. November 1918 wollte der letzte Kaiser Österreichs der „freien Entfaltung Meine Person nicht als Hindernis entgegenstellen“. Es wird auch viel darüber gesprochen, warum die Erste Republik in Österreich und die Weimarer Republik in Deutschland in die Katastrophe geschlittert sind, wieso die Demokratie damals gescheitert ist. Wie können wir denn heute Demokratie und demokratische Verhaltensweisen vermitteln?

Ich vertrete ja schon seit langem, dass Kinder- und Jugendbücher uns alle, auch Erwachsene, für viele Fragen sensibilisieren können. Sie zeigen uns oft eine neue Perspektive, einen ungewöhnlichen Zugang, einen spannenden Umgang mit wichtigen Themen auf. Sollen wir also ein so ernstes Thema wie die Demokratie mit einem Kinderbuch behandeln?

Ja, vor allem, wenn es sich um das fabelhafte Wimmelbilderbuch „Hier kommt keiner durch!“ von Isabel Minhós Martins handelt. Ein General beansprucht darin jede rechte Seite des Buchs für sich alleine. Alle anderen müssen auf der linken Seite bleiben, dafür soll (s)ein Aufpasser sorgen. Dabei wollen Patricia und Samuel nur Fahrrad fahren, Uli und Sepp flüchten, Herr Albino spazieren gehen und Bärbel Spaß haben. Was passiert nun, als der Ball von Lionel und Cristiano auf die rechte Seite rollt? Eine rasante Entwicklung beginnt, wunderschön illustriert von Bernardo P. Carvalho. Man versteht sofort, warum das Buch 2017 mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet wurde.
Zu seinem Reiz gehört allerdings auch die Vielfalt, das Humorvolle und Spielerische und das Nachdenkliche: Was wäre, wenn es einen Grund für die Sperre der rechten Seite geben würde?

Anarchismus?

Wenn der Deutschlandfunk über das Buch schreibt: „Ein anarchisches Bilderbuch, ein Plädoyer für Freiheit, Aufruhr und Widerstand“ scheint mir das am springenden Punkt vorbeizugehen.
Es geht nicht darum, grundsätzlich jeden freigehaltenen Raum zu stürmen und aus Prinzip überall herumzurennen, wo man will: es geht vielmehr darum, dass es eine vernünftige, nachvollziehbare, demokratisch legitimierte Begründung für Regeln geben muss. „Weil ich es so sage“, darf nicht genügen, auch wenn der schneidigste General oder der fescheste Volksheld es verkündet.

In einer Demokratie geht es ja nicht dauernd um Aufruhr und große Taten, sondern ums stetige Nachfragen, ums Nachfragenkönnen und Nachfragenwollen: Beobachten, Diskutieren, Legitimieren und das gleiche Recht für alle. Zu unspektakulär? Vielleicht nicht gerade atemberaubend, aber doch das beste, was bis jetzt entwickelt wurde. Jetzt sind Sie dran: Bitte wählen Sie Ihr Thema und schon sind wir mitten drin. In der Demokratie.

Zu Isabel Minhós Martins und Bernardo P. Carvalho: Hier kommt keiner durch! Übersetzt aus dem Portugiesischen von Franziska Hauffe. Leipzig (Klett Kinderbuch) 2016. Alle Rechte beim Verlag.

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